Das Klinikum Hanau setzt bei der Versorgung von Demenzkranken auf speziell geschulte Mitarbeiter. Ein Vorzeigemodell:
Im Klinikalltag gehen Demenzpatienten „total unter“, so die Erfahrung von Stephan Wolff, Abteilungsleiter Pflege am Klinikum Hanau. Alles müsse schnell gehen, prozessorientiert. Doch der Betreuungsaufwand sei hoch, die Mitarbeiter spürten deutlich, dass sie den Bedürfnissen der Kranken nicht gerecht werden. Ein unhaltbarer Zustand. 2013 wurde in Hanau deshalb damit begonnen, Mitarbeiter zu Demenzbeauftragten zu schulen. „Elf haben wir bereits ausgebildet, zum Ende des Jahres werden es 20 sein“, sagt Wolff. Ziel sei, dass auf jeder Station zwei Beauftragte arbeiten.
Fünf Tage dauert die Schulung, die in drei Blöcke aufgeteilt ist. Die Pflegekräfte lernen unter anderem, woran sie einen Demenzkranken erkennen, wenn er zu ihnen auf die Station kommt. „Nur selten ist zuvor eine Diagnose gestellt worden“, so Wolff. Viele Betroffenen seien sich ihrer Defizite auch nicht bewusst und empfänden ihr Verhalten als normal. „Die Verhaltensweisen dementer Patienten – Weglaufen, aggressives Verhalten, Ablehnen von Medikamenten, Nahrungsverweigerung – sind eine ganz besondere Herausforderung für das Pflegepersonal“, so der Pflegewirt. In der Schulung bekämen die Pflegekräfte eine „Fülle an Strategien“ an die Hand.
Ein Beispiel: Ein dementer Patient braucht eine künstliche Hüfte. Nach der Operation darf er 24 Stunden lang nicht aufstehen – er hat aber einen starken Bewegungsdrang und ein großes Kontaktbedürftnis. Er versucht, durch Rufen auf sich aufmerksam zu machen. Was tun? Ihn ans Bett fesseln oder mit Hilfe von Medikamenten ruhigstellen? „Das will keiner“, sagt Wolff. Es wurden vielmehr spezielle Rollstühle angeschafft, die es den Pflegekräften erlauben, Patienten mit zum Pflegestützpunkt zu nehmen. „Dort verbringen sie dann den Tag. In den meisten Fällen gibt es keine Probleme mehr“, erzählt Wolff. Die Patienten fühlten sich wohl, sie verhielten ruhig und die Pflegekräfte hätten sie ständig im Blick. „Das entstresst die Situation.“
Eine wichtige Rolle spielen in Hanau auch die Angehörigen von Demenzkranken. Er hat die Erfahrung gemacht, dass es Angehörigen oft peinlich ist, dass der Demenzkranke das Klinikpersonal auf Trab hält. Deshalb werde versucht, die Angehörigen in die Pflege einzubinden. Sie können bei Bedarf im Klinikum übernachten, und es sei auch gern gesehen, wenn sie den Kranken das Essen reichen oder beim Anziehen helfen. Ohnehin gibt es in Hanau für Demenzkranke ganz besondere Kost. Wenn die Kranken nicht mehr mit Messer und Gabel umgehen können, gibt es Fingerfood. „Süßes kommt immer gut an“, sagt Wolff. Da Demente oft nur noch kleine Portionen zu sich nehmen, biete die Küche entsprechende Kalorienbomben an.
Die Erfahrungen, die das Klinikum Hanau mit dem Demenzmodell gemacht hat, sind durchweg positiv. „So langsam spricht sich das auch herum“, sagt Wolff. Damit das Konzept greift, brauche es Managementmaßnahmen und Strategien für die gesamte Klinik. Und auch ein Austausch sei wichtig. Ab 2016 ist ein bis zweimal pro Jahr ein überregionaler Erfahrungsaustausch der Demenzbeauftragten geplant. Der finanzielle Aufwand hingegen sei überschaubar. Die Schulung koste etwa 500 Euro pro Personal. Bei etwa 30 Demenzbeauftragten seien das 15 000 Euro über drei Jahre. „Das ist machbar für Kliniken“, findet Wolff.